Demo in Dortmund: Erinnern heißt Kämpfen!

Er­in­nern heißt Kämp­fen!

An­ti­fa­schis­ti­sche De­mons­tra­ti­on am 29.​03.​2014 in Dort­mund
Beginn: 14:00 Uhr – Hauptbahnhof

In die­sem Jahr jährt sich der Mord an Tho­mas Schulz durch den Neo­na­zi Sven Kah­lin zum neun­ten Mal. Wir neh­men dies zum An­lass, auch die­ses Mal wie­der gegen rech­te Ge­walt zu de­mons­trie­ren und un­se­re So­li­da­ri­tät mit den Op­fern jener Ge­walt zum Aus­druck zu brin­gen. Dabei wol­len wir uns je­doch nicht nur auf das Ge­den­ken an Tho­mas Schulz und den in Dort­mund vom »Na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen Un­ter­gund« (NSU) er­mor­de­ten Meh­met Kubaşık be­schrän­ken, son­dern auch gegen die Ver­hält­nis­se, die diese Ge­walt erst er­mög­li­chen, de­mons­trie­ren. Eben­so ist es unser An­lie­gen, auf die immer noch be­ste­hen­den Na­zi­struk­tu­ren in Dort­mund hin­zu­wei­sen, wel­che sich nach dem Ver­bot des »Na­tio­na­len Wi­der­stands Dort­mund« als Par­tei or­ga­ni­siert haben. Es hat sich dabei ge­zeigt, dass Ver­bo­te viel nicht hel­fen, um Nazis zu be­kämp­fen.

Zur ak­tu­el­len Ent­wick­lung der Dort­mun­der Neo­na­zi­sze­ne

In den ver­gan­ge­nen Jah­ren gab es ei­ni­ge Um­brü­che und neue Ent­wick­lun­gen in der Dort­mun­der Neo­na­zi­sze­ne. Nach dem Ver­bot des »Na­tio­na­len Wi­der­stands Dort­mund« (NWDO) durch das NRW-​In­nen­mi­nis­te­ri­um im Au­gust 2012, folg­te wenig spä­ter die Re­or­ga­ni­sa­ti­on der hie­si­gen Szene in der Par­tei »Die Rech­te«. Jene Par­tei kann zu­min­dest be­zo­gen auf die nord­rhein-​west­fä­li­sche Lan­des­glie­de­rung als Auf­fang­be­cken für die Mit­glie­der der drei ver­bo­te­nen Ka­me­rad­schaf­ten in Aa­chen, Dort­mund und Hamm an­ge­se­hen wer­den. In Dort­mund grün­de­ten die Neo­na­zis rund zwei Mo­na­te nach dem Ver­bot und den zahl­rei­chen Raz­zi­en den ört­li­chen Kreis­ver­band der Par­tei und wähl­ten Sieg­fried »SS-​Sig­gi« Bor­chardt zum Kreis­vor­sit­zen­den. Kurz dar­auf gaben sie über ihr in­of­fi­zi­el­les Spra­ch­or­gan »Dort­mun­dE­cho« öf­fent­lich be­kannt, in Dort­mund-​Hu­ckar­de die Lan­des-​ und Kreis­ge­schäfts­stel­le er­öff­nen zu wol­len. Nach an­fäng­lich am­bi­tio­nier­ten Re­no­vie­rungs­ar­bei­ten muss­ten diese je­doch bald ein­ge­stellt wer­den, als her­aus­kam, dass die of­fen­bar mit wenig Sta­tik-​Kennt­nis­sen aus­ge­stat­te­ten Neo­na­zis eine tra­gen­de Wand her­aus­ge­hau­en hat­ten. Das Bau­amt un­ter­sag­te dar­auf­hin jeg­li­chen Zu­tritt zu dem La­den­lo­kal. Den Par­tei­ak­ti­vi­tä­ten hat das al­ler­dings kei­nen Ab­bruch getan. Seit­her sind die Neo­na­zis re­la­tiv aktiv: Sie sind in­ten­siv be­müht, sich an dem de­mo­kra­ti­schen Wil­lens­bil­dungs­pro­zess der Be­völ­ke­rung zu be­tei­li­gen. Ihr Fokus liegt dabei vor allem auf der Teil­nah­me an Wah­len – mit mä­ßi­gem Er­folg. Bei der Bun­des­tags­wahl im ver­gan­ge­nen Jahr konn­te die Par­tei stadt­weit ge­ra­de ein­mal 178 Stim­men auf sich ver­ei­nen. Die Dort­mun­der NPD konn­te im­mer­hin 3.​788 Wäh­le­rIn­nen zum Gang zur Wahl­ur­ne mo­bi­li­sie­ren. Der­zeit steckt die Par­tei mit­ten im Wahl­kampf für die an­ste­hen­de Kom­mu­nal­wahl am 25. Mai in Dort­mund. Über­wie­gend mit ehe­ma­li­gen Füh­rungs­ka­dern an der Spit­ze, hat die Par­tei fünf Kan­di­da­ten auf­ge­stellt und hofft zu­min­dest mit »SS-​Sig­gi« als Spit­zen­funk­tio­när in den Stadt­rat ein­zu­zie­hen. Tak­tik und Au­then­ti­zi­tät gehen daher bei der Par­tei »Die Rech­te« Hand in Hand: Ei­ner­seits müs­sen sie, um ihr Par­tei­en­pri­vi­leg nicht zu ge­fähr­den, aus tak­ti­schen Über­le­gun­gen her­aus sug­ge­rie­ren, eine ernst­haf­te (und ernst­zu­neh­men­de) Par­tei zu sein. An­de­rer­seits haben sie so trotz Ver­bot des NWDO die Mög­lich­keit, ihre neo­na­zis­ti­sche Pro­pa­gan­da in Form von Info-​Stän­den, Kund­ge­bun­gen und Auf­mär­schen zu ver­brei­ten. Dabei tes­ten sie immer wie­der aus, wie weit sie gehen kön­nen und wo ihnen von Sei­ten des Staa­tes die Gren­zen auf­ge­zeigt wer­den. Bei­spiel­haft sind hier das als Par­tei-​Ver­an­stal­tung ge­tarn­te Rechts­Rock-​Kon­zert am 6. Juli 2013 in Herne und der Auf­marsch zum Welt­frie­dens­tag am 1. Sep­tem­ber 2013 zu nen­nen. Eben­so ist wei­ter­hin eine po­si­ti­ve Be­zug­nah­me auf den Na­tio­nal­so­zia­lis­mus er­kenn­bar. Auf einer De­mons­tra­ti­on der Par­tei am 31. Au­gust 2013 war auf dem Fron­trans­pa­rent »25 Punk­te gegen eure Ver­bo­te« zu lesen. Damit ist das zum einen das ei­ge­ne Par­tei­pro­gramm zur Kom­mu­nal­wahl ge­meint, zu­gleich nann­te auch die NSDAP ihr Par­tei­pro­gramm »25 Punk­te-​Pro­gramm«. Es ist also of­fen­sicht­lich, in wel­cher Tra­di­ti­on sich »Die Rech­te« wähnt.

Rech­te Ge­walt in Dort­mund

In Dort­mund konn­ten sich Neo­na­zis jah­re­lang in ein ge­mach­tes Nest set­zen und sich so eine star­ke rech­te Szene auf­bau­en. Rech­te Über­grif­fe waren keine Sel­ten­heit, eben­so fan­den zahl­rei­che Auf­mär­sche statt. Die Stadt Dort­mund wurde über­re­gio­nal als Na­zi­hoch­burg be­kannt, ganz im Sinne der neo­na­zis­ti­schen Om­ni­po­tenz­fan­ta­si­en. Der Stadt, die außer einem Fuß­ball­ver­ein nach außen hin nicht son­der­lich viel zu bie­ten hat, war diese me­dia­le Auf­merk­sam­keit und der damit ver­bun­de­ne Ima­ge­scha­den ver­mut­lich ir­gend­wann zu viel. Das stän­di­ge Igno­rie­ren eines Na­zi­pro­blems konn­te nicht mehr auf­recht­er­hal­ten wer­den. In der Auf­re­gung um die Selbst­ent­tar­nung des NSU, in der sich fast ganz Deutsch­land, in einem über­rasch­ten Mo­ral-​An­ti­fa­schis­mus wie­der­fand, wurde dann das Ver­bot aus­ge­spro­chen. Die Neo­na­zi­sze­ne zeig­te sich kurz da­nach ge­schockt, die Ver­ant­wort­li­chen konn­ten sich fei­ern las­sen und Ober­bür­ger­meis­ter Ul­rich Sier­au emp­fahl im Freu­den­tau­mel Dort­mun­der An­ti­fa­schis­tIn­nen gleich noch den Aus­stieg aus der lin­ken Szene. Dass diese sich jah­re­lang als eine der We­ni­gen dem Kampf gegen die Dort­mun­der Neo­na­zis al­lei­ne ge­wid­met hat­ten, wurde dabei groß­zü­gig unter den Tep­pich ge­kehrt. Doch das Ver­bot zeig­te be­kann­ter­wei­se nicht lange Wir­kung – auch wenn sich das Auf­tre­ten der Neo­na­zis ver­än­dert hat. Die Dort­mun­der Neo­na­zis haben mitt­ler­wei­le ihren sub­kul­tu­rell an­ge­hauch­ten Ha­bi­tus der »Au­to­no­men Na­tio­na­lis­ten« auf­ge­ge­ben und wid­men sich voll und ganz ihrer Par­tei­ar­beit. Statt pein­li­chen »Ak­ti­ons­vi­de­os« ver­an­stal­ten sie nun Info-​Stän­de und Flug­blatt­ver­tei­lun­gen. Die­ser Um­stand ist zwar nicht viel bes­ser, den­noch lässt sich fest­stel­len, dass sich rech­te Ge­walt in Dort­mund re­du­ziert hat. Das be­deu­tet je­doch nicht, das diese nicht mehr exis­tie­ren würde, sie hat sich viel mehr ver­la­gert. So kam es in Dort­mund immer wie­der zu rech­ten Über­grif­fen und Ein­schüch­te­rung im Kon­text von Fuß­ball­spie­len. Hier las­sen sich rechts­af­fi­ne, je­doch po­li­tisch un­or­ga­ni­sier­te Fuß­ball­fans als Tä­te­rIn­nen fest­ma­chen. Dort­mun­der Neo­na­zis konn­ten auch bei einem Heim­spiel des »MSV Du­is­burg« bei einem An­griff von rech­ten Hoo­li­gans auf an­ti­fa­schis­ti­sche Ul­tras be­ob­ach­tet wer­den. Die­ser Zu­stand scheint der Dort­mun­der Zi­vil­ge­sell­schaft und der Stadt zu ge­nü­gen. Rech­te »In­ten­siv­tä­ter« wie Sven Kah­lin wer­den ju­ris­tisch still­ge­legt und in Dorst­feld wur­den über eine län­ge­re Zeit eine hohe An­zahl von po­li­zei­li­chen Maß­nah­men vor­ge­nom­men. Dies schien die Neo­na­zis zwar zu be­ein­träch­ti­gen, hielt sie aber na­tür­lich nicht davon ab, wei­ter als Nazis auf­zu­tre­ten. So lässt sich kon­sta­tie­ren, dass das Ver­bot die Na­zi­struk­tu­ren in Dort­mund mög­li­cher­wei­se eher ge­stärkt als ge­schwächt hat. Denn ob­wohl das Ver­bot zu­nächst tat­säch­lich ein har­ter Schlag für die hie­si­ge Szene war, ge­stal­ten sich mög­li­che neue Ver­su­che staat­li­cher Re­pres­sio­nen auf­grund der mit dem Par­tei­en­sta­tus ver­bun­den Pri­vi­le­gi­en schwie­rig. Für die Dort­mun­der Neo­na­zis stellt dies na­tür­lich aus ei­ge­ner Sicht einen Er­folg dar, sie kön­nen sich so als immun ge­gen­über po­li­zei­li­chen und staat­li­chen Maß­nah­men sti­li­sie­ren.

Neo­na­zi­tä­te­rIn­nen vor Ge­richt

Der auf­grund des Mor­des an Tho­mas Schulz zu sie­ben­ein­halb Jah­ren Haft ver­ur­teil­te Sven Kah­lin sitzt zur­zeit mit acht wei­te­ren be­kann­ten Dort­mun­der Neo­na­zis unter an­de­rem wegen schwe­rem Land­frie­dens­bruch vor dem Dort­mun­der Land­ge­richt auf der An­kla­ge­bank. Den zwei Frau­en und sie­ben Män­nern aus dem Kreis der »Skin­head-​Front Dort­mund-​Dorst­feld« wird vor­ge­wor­fen, im De­zember 2010 die Knei­pe »Hirsch-​Q« in der Dort­mun­der In­nen­stadt an­ge­grif­fen und dabei min­des­tens eine Per­son schwer ver­letzt zu haben. Auch wäh­rend des Pro­zes­ses, bei dem sich kei­ner der An­ge­klag­ten bis­her ein­ge­las­sen hat, ma­chen sie kei­nen Hehl aus ihrer na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen Ideo­lo­gie. Sie er­schei­nen mit Klei­dung ein­schlä­gi­ger Mar­ken wie »Thor Stei­nar« oder mit »Whi­te-​Power«-​T-​Shirts vor Ge­richt. Wäh­rend der Aus­sa­gen der Opfer und Zeu­gen­In­nen schnei­den sie Gri­mas­sen, ma­chen Witze oder schi­cken sich per Handy ge­gen­sei­tig Nach­rich­ten. Un­ter­stützt wer­den sie von dem re­gel­mä­ßig an­we­sen­den Micha­el Brück, sei­nes Zei­chen Kan­di­dat für »Die Rech­te« bei der Kom­mu­nal­wahl. Wegen Über­las­tung des Ge­richts wurde der Pro­zess al­ler­dings erst zwei­ein­halb Jahre nach Tat­ge­sche­hen im Som­mer 2013 er­öff­net und wird sich vor­aus­sicht­lich noch bis in den Som­mer 2014 zie­hen. Al­ler­dings kann noch nicht damit ge­rech­net wer­den, dass diese Tat durch die Jus­tiz auch als po­li­tisch mo­ti­viert ge­wer­tet wird. In der Ver­gan­gen­heit ist dies bei Über­grif­fen durch Nazis nur sehr sel­ten ge­sche­hen. Bei Sven Kah­lin, der im No­vem­ber 2011 einen tür­ki­schen Ju­gend­li­chen auf dem Dort­mun­der Weih­nachts­markt bru­tal zu­sam­men­schlug und den ihn fest­hal­ten­den Se­cu­ri­ty-​Mit­ar­bei­ter an­ti­se­mi­tisch be­lei­dig­te, konn­te da­mals durch das Ge­richt kein po­li­ti­scher Be­weg­grund fest­ge­stellt wer­den. Viel­mehr wurde als Mo­ti­va­ti­on Kah­lins Ag­gres­si­ons­po­ten­zi­al vor­ge­scho­ben, wel­ches er zwar zwei­fel­haft be­sitzt, den po­li­ti­schen Cha­rak­ter die­ser Tat aber ne­giert. Die Taten von Neo­na­zis wer­den so schluss­end­lich ent­po­li­ti­siert und ver­harm­lost.

»Der Name auf einem Krie­ger­denk­mal ist der Traum ihrer Pu­ber­tät«

Seit 1990 hat rech­te Ge­walt min­des­tens 184 To­des­op­fer ge­for­dert und un­zäh­li­ge Men­schen ver­letzt. Es ist dabei gleich­gül­tig, ob die Tä­te­rIn­nen stram­me Neo­na­zis oder an­po­li­ti­sier­te Ju­gend­li­che sind, die Ideo­lo­gie, die den Mor­den und un­zäh­li­gen Über­grif­fen zu Grun­de liegt, ist im Kern die­sel­be und in letz­ter Kon­se­quenz auf eine ge­walt­tä­ti­ge Pra­xis aus­ge­legt. Neo­na­zis wäh­nen sich in einem stän­di­gem Kampf, sei es gegen »Über­frem­dung«, gegen den »US-​Ka­pi­ta­lis­mus« oder einen ver­meint­li­chen »Schuld­kult«. Sie ver­ste­hen den Cha­rak­ter der ka­pi­ta­lis­ti­schen Ge­sell­schaft nicht und seh­nen sich nach ein­fa­chen Er­klä­rungs­mus­tern. Die Grund­pfei­ler neo­na­zis­ti­schen Den­kens waren und blei­ben ein völ­kisch de­fi­nier­ter Na­tio­na­lis­mus, Ras­sis­mus, einem auf ver­kürz­ter Ka­pi­ta­lis­mus­kri­tik ba­sie­ren­der An­ti­se­mi­tis­mus und damit ver­bun­de­ner An­ti­zio­nis­mus, sowie ein po­si­ti­ver Bezug auf den Na­tio­nal­so­zia­lis­mus. Dies alles fin­det sich mal mehr oder we­ni­ger frag­men­ta­risch auch in an­de­ren Tei­len der Ge­sell­schaft wie­der. Bei Neo­na­zis kommt zu­sätz­lich noch der Wille zum Kampf hinzu, ein Be­dürf­nis nach der De­mons­tra­ti­on ei­ge­ner Stär­ke sowie die Be­reit­schaft, sich sel­ber für ein über­ge­ord­ne­tes Ziel, in dem Fall das Kon­zept der »Volks­ge­mein­schaft«, auf­zu­op­fern. Hier­bei wer­den al­ler­dings auch We­sens­zü­ge ge­sell­schaft­li­cher Ge­walt­ver­hält­nis­se nach­ge­zeich­net. Im Ka­pi­ta­lis­mus herrscht eine stän­di­ge Kon­kur­renz im Ver­wer­tungs­pro­zess. Die Er­nied­ri­gung des In­di­vi­du­ums, wel­ches per Über­flüs­sig­keit aus die­sem Ver­wer­tungs­pro­zess aus­schei­det, er­öff­net im Zwei­fel die Op­ti­on zur au­to­ri­tä­ren Iden­ti­fi­ka­ti­on mit Staat und Na­ti­on, um der Ver­ein­zelung zu ent­flie­hen. Dies drückt sich dann zudem in dem Wunsch nach »Ord­nung« sowie einem mar­tia­li­schen und ge­walt­tä­ti­gen Auf­tre­ten aus. Die sub­jek­tiv wahr­ge­nom­me­ne Po­si­ti­on des »Op­fers« mün­det darin, diese auf an­de­re zu re­pro­du­zie­ren, ver­mischt mit ras­sis­ti­schen und an­ti­se­mi­ti­schen Pro­jek­tio­nen. Durch den Akt der Ge­walt wird der Pro­zess des Aus­schlus­ses des an­de­ren ma­ni­fes­tiert und eine »über­le­ge­ne« und als »deutsch« emp­fun­de­ne Iden­ti­tät ge­schaf­fen. Be­trof­fe­ne von rech­ter Ge­walt wer­den von den Tä­te­rIn­nen somit ent­in­di­vi­dua­li­siert und zu Ob­jek­ten der ei­ge­nen Ideo­lo­gi­en und un­ter­drück­ten Be­dürf­nis­sen ge­macht. Damit soll nicht be­haup­tet wer­den, dass Nazis aus­schließ­lich ein Pro­dukt einer ka­pi­ta­lis­tisch or­ga­ni­sier­ten Ge­sell­schaft seien. Schließ­lich ist es eine freie Ent­schei­dung, sich als Nazi zu de­fi­nie­ren, doch der Ge­walt liegt die Zu­rich­tung durch die Zu­mu­tun­gen des Ka­pi­ta­lis­mus zu Grun­de. Diese be­schrie­be­ne Ideo­lo­gie lässt sich auch teil­wei­se auf die bür­ger­li­che Mitte über­tra­gen. Ras­sis­mus und An­ti­se­mi­tis­mus sind hier zwar eben­so zu fin­den, der Schritt zur Ge­walt wird je­doch – so­zia­li­sa­ti­ons­be­dingt – nicht voll­zo­gen. Nazis fun­gie­ren dabei dann in der Rolle der Voll­stre­cke­rIn­nen. Rech­te Ideo­lo­gie hat daher dort Er­folg, wo sie mehr ver­spricht, als die rea­len Le­bensum­stän­de hal­ten.

Dorst­feld ist immer einen Be­such wert!

Der im Wes­ten Dort­munds ge­le­ge­ne un­an­sehn­li­che Stadt­teil Dorst­feld ist nach wie vor Wohn­sitz et­li­cher Neo­na­zis. Auch wenn hier nach dem Ver­bot den Neo­na­zis sei­tens der Stadt und der Po­li­zei auf die Füße ge­tre­ten wurde und sie durch stän­di­ge Kon­trol­len ge­nervt wur­den, auf­ge­ge­ben haben sie nicht. Wenn sich ei­ni­ge Na­zi­ka­der mitt­ler­wei­le als Par­tei­funk­tio­nä­re mit Namen und Ge­sicht der Öf­fent­lich­keit prä­sen­tie­ren und sich um ein se­riö­ses Auf­tre­ten be­mü­hen, ist ihre Ideo­lo­gie wei­ter­hin ras­sis­tisch und an­ti­se­mi­tisch. Durch das Ver­bot des NWDO hat sich bis auf das Label daher nur wenig ge­än­dert. Es fin­den Auf­mär­sche wie am 1. Mai statt, re­gel­mä­ßig Tref­fen, Web­siten wur­den um­be­nannt und wei­ter be­trie­ben. Bes­tes Bei­spiel hier­für ist der mit dem NWDO ver­bo­te­ne On­line­shop »Re­sis­to­re«, wel­cher nun unter dem Namen »antisem.​it« wei­ter­ge­führt wird. Wir wer­den daher nach Dorst­feld gehen, um den Neo­na­zis, die sich als Par­tei­mit­glie­der jetzt so si­cher füh­len, zu stö­ren und sie als Tä­te­rIn­nen von Über­grif­fen und Trä­ge­rIn­nen neo­na­zis­ti­scher Ideo­lo­gie zu be­nen­nen. Es hat sich ge­zeigt, dass staat­li­che Ver­bo­te kei­nes­wegs ein an­ge­mes­se­nes Mit­tel zur Be­kämp­fung von Neo­na­zis und ihren Ideo­lo­gi­en sind, auch wenn die Ver­tei­di­gung gegen neo­na­zis­ti­sche »Ver­fas­sungs­geg­ne­rIn­nen« und die Auf­recht­er­hal­tung des Ge­walt­mo­no­pols Be­din­gung und In­ter­es­se des bür­ger­li­chen Staats sind. Auch wenn dies im Zwei­fel ein be­que­mer Weg sein kann, ist deut­lich ge­wor­den, dass es falsch wäre, sich hier­auf zu ver­las­sen. Eben­so ist fest­zu­stel­len, dass »Die Rech­te« sich in der Selbst­wahr­neh­mung ver­mut­lich schon in allen Par­la­men­ten sieht, ge­sell­schaft­lich je­doch keine re­le­van­te Kraft dar­stellt. Uns ist daran ge­le­gen, die­sen Zu­stand auf­recht zu er­hal­ten, auch wenn es uns herz­lich wenig darum geht, die Ge­sell­schaft vor ihren schlimms­ten Aus­wüch­sen, also den be­ken­nen­den Na­tio­nal­so­zia­lis­tIn­nen, zu schüt­zen. Eine Maß­nah­me hier­für wäre zum einen das kon­se­quen­te Zu­rück­drän­gen von Neo­na­zis. Das be­deu­tet für uns, Na­zi­struk­tu­ren auf­zu­de­cken und zu be­kämp­fen. Dies darf sich al­ler­dings nicht le­dig­lich in einer re­flex­haf­ten Fi­xie­rung auf Na­zi­ak­tio­nen er­schöp­fen, son­dern muss auch eine Ana­ly­se der Ent­ste­hung fa­schis­ti­scher Po­ten­zia­le leis­ten kön­nen. Da es ohne Neo­na­zis zwar an­ge­neh­mer, aber auch nicht bes­ser wäre, ist es eben­so wich­tig, Kri­tik an Events und Mo­bi­li­sie­run­gen zu üben, in denen das post­na­zis­ti­sche Deutsch­land zu sich kommt und an­ti­se­mi­ti­sche und ras­sis­ti­sche Ideo­lo­gie dort zu be­kämp­fen, wo sie auf­tritt. Neo­na­zis­ti­sche Ge­walt lässt sich nicht stop­pen, wenn auch nicht jene Ver­hält­nis­se ab­ge­schafft wer­den, in der der (ge­walt­tä­ti­ge) Aus­schluss von In­di­vi­du­en auf­grund von Pro­jek­tio­nen und Res­sen­ti­ments immer wie­der Kon­junk­tur er­fährt.

Für ein Ende der Ge­walt!
Gegen Na­zi­struk­tu­ren und Dort­mun­der Zu­stän­de!


An­ti­fa­schis­ti­sche Union Dort­mund & Ju­gend­an­ti­fa Dort­mund