Category Archives: Allgemein

Anklage gegen Björn Mühlnickel erhoben

Gegen den 23 Jahrigen Neonazi und Brandstifter, Bjön Mühlnickel aus Begkamen wird Anzeige erstattet. Das lies laut der WR die dortmunder Staatsanwältin Dr. Ina Holznagel verlauten. Die Staatsanwaltschaft sei sich sicher, das Mühlnickel mehrfach mutwillig Feuer gelegt hat. Vor einigen Wochen wurden in Bergkamen nicht nur in paar Mülltonnen, sondern auch die Baustelle einer Moschee und mehrfach ein Mehrfamilienhaus angezündet. Zu den Taten soll Mühlnickel ein Teilgeständnis abgelegt haben. Außerdem wird er von einem 23 Jährigen schwer belastet, der ihn bei den Brandstiftungen begleitet haben will.

Björn Mühlnickel ist laut WR wegen Betrugs auf Bewährung, was sich vermutlich negativ auf sein Urteil auswirken wird. Momentan sitzt er in Untersuchungshaft.

Presseschau:
Der Westen/WR

NRW Rechtsaußen: NPD will mutmaßlichen Brandstifter loswerden

Einen mutmaßlichen Brandstifter in ihren Reihen zu haben, macht sich nicht gut für die NPD. Darum will ihr Kreisverband für Unna und Hamm den 23-jährigen Bergkamener Björn Mühlnickel jetzt loswerden.

Mühlnickel war am vorigen Montag in Haft genommen worden, weil er unter anderem zweimal in einem Wohnhaus sowie auf der Baustelle einer Moschee Feuer gelegt haben soll.

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NRW Rechtsaußen: Stadt Hamm arbeitet nicht mit Rechten zusammen – BI will Rechte ausschließen

Solange „pro NRW“-Ratsherr Gerald Thörner, der NPD-Kreisvorsitzende Hans-Jochen Voß und möglicherweise andere Rechtsausleger zu jener „Bürgerinitiative“ gehören, die sich in Hamm im Zusammenhang mit Moscheebauplänen gebildet hat, will die Hammer Stadtverwaltung mit der BI nicht sprechen. Derweil hat die Hammer Bürgerinitiative zum Moscheebau im Stadtteil Herringen angekündigt, dass sie ihre Gründungsmitglieder Gerald Thörner („pro NRW“) und Hans-Jochen Voß (NPD) ausschließen werde. Dies berichtet der Westfälische Anzeiger.

Weiterlesen auf NRW Rechtsaußen:
Presseschau: Stadt und Grüne auf Distanz zur Hammer Moschee-BI
Presseschau: Hammer BI schließt zwei Rechtsradikale aus

Rechtes Motiv? Brandanschläge in Bergkamen

Nach einer Serie von Brandanschlägen an den vergangenen zwei Samstagen (23.07. und 30.07.2011) hat das Amtsgericht Kamen am Montag Haftbefehl gegen einen 23-jährigen Bergkamener erlassen. Er wird verdächtigt neun Brandstiftungen in der Bergkamener City begangen zu haben. Nach Angaben der Polizei steht der nun Verhaftete der rechten Szene nahe, sei aber noch nicht durch politische motivierte Taten in Erscheinung getreten.

Rassistisch motivierte Brandanschläge?
Bereits in der vergangenen Woche war vermutet worden, dass es sich bei den Taten um rechte Gewalt handeln könnte. In der ersten Tatnacht wurde der Rohbau einer Moschee an der Ernst-Schering-Straße angezündet. Außerdem wurde in beiden Nächten ein Feuer in einem Mehrfamilienhaus in der Hubert-Biernat-Straße gelegt. Dort wohnen viele Familien aus dem Vietnam, der Türkei und Angola. Die BewohnerInnen berichteten gegenüber der WR/WAZ, dass im Hausflur auch Hakenkreuz-Schmiererein und SS-Runen aufgetaucht seien. Bei den anderen sechs Brandstiftungen handelte es sich um brennende Mülltonnen in der Umgebung des Mehrfamilienhauses. Continue reading Rechtes Motiv? Brandanschläge in Bergkamen

LOTTA #44 erschienen

Schwerpunkt dieser Ausgabe der „LOTTA – Antifaschsitische Zeitung aus NRW, Rheinland Pfalz und Hessen“ ist das Thema „Opferperspektiven – Rechte Gewalt und deren Opfer“.

Aus dem Editorial:

Liebe Leserinnen und Leser,

In der Auseinandersetzung mit der extremen Rechten stehen meist die TäterInnen, deren Gewalttaten und die diese Taten legitimierende Ideologie im Mittelpunkt. Das ist zwar nicht falsch, aber auch nicht ausreichend, da die Perspektive der/für die Opfer oftmals fehlt. In den östlichen Bundesländern existieren seit über zehn Jahren spezielle Beratungsstellen für Opfer rechter Gewalt. Sie bieten den Betroffenen rechter Gewalt direkte Unterstützung bei der Verarbeitung der Gewalttat unter der Prämisse der Parteilichkeit und der Achtung der Autonomie des Opfers. Und sie treten in der Öffentlichkeit für eine Solidarisierung mit Opfern rechter Gewalt ein und begeben sich an der Seite der Betroffenen in Aushandlungsprozesse mit den Sicherheitsbehörden, der Politik und Zivilgesellschaft.

Doch wieso gibt es bisher eigentlich nichts Vergleichbares in den westlichen Bundesländern, auch nicht in den LOTTA-Ländern NRW, Rheinland-Pfalz und Hessen? Gibt es hier etwa keine rechte Gewalt und damit auch keine Opfer rechter Gewalt?

Im Schwerpunkt dieser LOTTA-Ausgabe zeigen wir die Dimensionen rechter Gewalt sowie die Unterstützungsmöglichkeiten für die Opfer dieser Gewalt auf. Bei der Erstellung des Schwerpunktes möchten wir uns insbesondere bei Heike Kleffner und dem Dortmunder Antifa-Bündnis (DAB) bedanken. Ebenso bedanken möchten wir uns bei allen anderen, die etwas zu dieser Ausgabe beigetragen haben: bei den AutorInnen, InterviewpartnerInnen, FotografInnen, LayouterInnen, InformantInnen, ArchivarInnen, DiskussionspartnerInnen, den Kaffeekooperativen in Chiapas, Café Libertad und einigen mehr.

Einen wunderschönen antifaschistischen Sommer wünscht

Eure LOTTA-Redaktion

Als Vorgeschmack ein Link zu dem Artikel Zum Opfer gemacht – Dimensionen rechter Gewalt
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Die Nazi-Dichterin und ihr Neonazi-Anhang (ergänzt)

Das Internetportal NRW rechtaußen berichtete am 23. Juli über die Diskussion zur Agnes-Miegel-Straße in Schwerte:

SCHWERTE – Meterlang zog sich der Schriftzug über eine Grundstücksmauer an der Agnes-Miegel-Straße in Schwerte: „Agnes-Miegel-Straße bleibt, sonst gibt´s Randale“, lasen die Anwohner dort in dieser Woche. Wie in zahlreichen anderen Städten wird in Schwerte darüber diskutiert, ob eine Straße den Namen einer Nazi-Dichterin tragen sollte. In der Stadt im Kreis Unna meldeten sich Neonazis nun in ihrer ganz eigenen Art und Weise in dieser Diskussion zu Wort. Continue reading Die Nazi-Dichterin und ihr Neonazi-Anhang (ergänzt)

Kamen: Ende der VHS-Veranstaltungsreihe

In den vergangenen Wochen endete die mehrmonatige Veranstaltungsreihe der VHS Kamen/Bönen zu dem Themenkomplex ‘Rechtsextremismus’. Abschließend ging es um Strategien und Erfahrungen des bürgerlichen Engagements gegen Rechts. Die Vorträge waren insgesamt gut besucht; die anschließenden Diskussionen zumeist lebhaft. In den zahlreichen Veranstaltungen gelang es ein relativ detailliertes Bild (neo-)nazistischer Ideologie und Praxis nachzuzeichnen. In der Komposition der Vorträge spiegelte sich die Intention wieder, grundlegende und unentbehrliche Erkenntnisse über Organisationsformen und die ‘Weltanschauung’ der extremen Rechten zu vermitteln – nicht ohne speziellerer Themen (wie z.B. Fußball und Rechtsextremismus) aus dem Fokus zu verlieren. Der großzügig angelegte Rahmen mit einer Vielzahl an Vorträgen machte dies möglich. In dieser Hinsicht leistete die VHS Kamen/Bönen in dieser Region sicherlich Pionierarbeit.
Anfangs wurde die Veranstaltungsreihe von einer Diskussion über ihre Form und inhaltliche Reichweite begleitet. Die FDP-Stadtverbände aus Kamen und Unna äußerten jeweils Kritik an der programmatischen Ausrichtung der VHS Kamen/Bönen und der VHS Unna/Holzwickede. Beklagt wurde das Fehlen eines “ganzheitlichen Ansatzes”. ‘Rechtsextremismus’ sei nur mit einer gleichzeitigen Betrachtung des ‘Linksextremismus’ zu erklären; ‘Aufklärung’ über ‘linksextremistische’ Erscheinungen sei auch in Kamen und Unna zwingend nötig. Damit reiht sie sich nicht nur in den reaktionären gesellschaftlichen Mainstream ein, sondern handelt im Sinne der gegenwärtigen Bundespolitik. Eine kritische Reflexion der verwendeten Begriffe kann hier wie da nicht erwartet werden. Die Extremismustheorie ist als gesellschaftliches Definitionsinstrumentarium – beziehungsweise: als Mittel zur ‘Gegnerbestimmung’ – hegemonial geworden.
Die Antifa UNited verfasste zu dieser Diskussion einen Text über die allgemeine Problematik des Extremismusbegriffs mit dem Titel Verharmlosen und Gleichsetzen.
Trotz des Gegenfeuers kann die Reihe aus antifaschistischer Perspektive als ein voller Erfolg gewertet werden.
So möchten wir der VHS Kamen/Bönen für die Durchführung der Veranstaltungsreihe mit den sehr qualifizierten Referenten und Referentinnen danken und der Hoffnung Ausdruck verleihen, dass zukünftig regelmäßig – wenn auch nicht als Reihe, so doch eventuell im Rahmen von Einzelveranstaltungen – zu diesem Themenkomplex Diskussionen und Vorträge folgen werden. Nach unserem Dafürhalten wäre ein weiteres Engagement in dieser Richtung elementar – nicht nur zur konkreten
Aufklärung über rechtsradikale Erscheinungsformen, sondern auch zur Förderung einer mündigen und demokratischen, ja antifaschistischen Kultur in Kamen und im Kreis Unna. Denn Zweiteres erscheint uns doch immer noch als das beste Mittel zur Bekämpfung neonazistischer Aktivitäten, die im Kreis Unna weder zu leugnen noch zu relativieren sind.

Antifa UNited im Juni 2011

Aufruf: Weder Freund, noch Helferin!

Aufruf zur antifaschistischen Demonstration gegen Polizeigewalt und Repression am 19.03.2011 in Dortmund!

Antifa-Demo am 19.03.2011 um 15 Uhr am Dortmunder Hauptbahnhof

Weder Freund, noch Helferin – Feuer und Flamme der Repression!

Wer an Demonstrationen teilnimmt, sieht sich schwer bewaffneten Polizist_innen gegenüber und muss damit rechnen, körperliche Gewalt zu erfahren. Doch Gewalt gegen Demonstrant_innen gibt es nicht erst seit den Protesten gegen Stuttgart 21, wo die bürgerliche Presse ausführlich über die gewaltsame Räumung des Schlossparks berichtete. Sie gehört seit jeher zum Repertoire der Staatsmacht, was die antifaschistische Bewegung in vielerlei Hinsicht zu Spüren bekommt.

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Verharmlosen und Gleichsetzen

Die Perspektive der „Extremismustheorie“ hilft nicht im Kampf gegen Neonazis und Rassismus

Statement der Antifa UNited zur Diskussion über das Programm der Volkshochschule Kamen-Bönen

In den vergangenen Wochen entwickelte sich in Kamen eine öffentliche Diskussion über den Semester-Schwerpunkt zum Thema ‘Rechtsextremismus’ der VHS Kamen-Bönen. In dem kürzlich veröffentlichten Programm der Volkshochschule findet sich eine breit angelegte Vortragsreihe, die neun Vorträge umfasst und mit der der Versuch unternommen werden soll, über die verschiedenen Ausprägungen extrem rechter Ideologie und extrem rechter Organisationsformen zu informieren. Dieser Schwerpunkt wurde, wie dem Vorwort der VHS-Broschüre zu entnehmen ist, bewusst gesetzt: „aus aktuellen Anlässen“. Gemeint ist damit der Anstieg neonazistischer Aktivitäten im gesamten Kreis Unna, speziell aber wohl der Nazi-Angriff auf das GAL-Zentrum im März 2010 in Kamen und die rechten Aktivitäten in Bönen.

Nicht nur mit Blick auf die aktuelle Situation und die jüngsten Ereignisse erscheint uns dieses Anliegen der VHS begrüßenswert. Generell sehen wir eine umfassende Aufklärung über extrem rechte ‘Theorie’ und Praxis als Grundvoraussetzung für ein effektives Agieren gegen rechte Tendenzen.


FDP-Kampagne gegen die VHS

Jedoch äußerte der Stadtverband der FDP kurz nach der Bekanntgabe des Programms harsche Kritik an dem von der VHS gewählten Schwerpunkt. Dies verwundert vor allem deswegen, weil gerade die FDP, im Gegensatz zu den meisten anderen Parteien, in den letzten Jahr weder durch besonderes Engagement gegen die neonazistischen Aktivitäten noch durch Sachverstand zum Thema aufgefallen ist. Besonders der Kamener FDP-Vorsitzende David Thomas Karnas griff die VHS-Leitung an. Er kritisierte, dass der Schwerpunkt „den ganzheitlichen Ansatz“ – was immer das genau auch ist – vermissen lasse. So gehört Karnas zufolge zur Aufklärung über ‘Rechtsextremismus’ auch zwingend eine Beschäftigung mit ‘Linksextremismus’ – gar als ob das eine ohne das andere nicht erklärt werden könne. In der jetzigen Ausrichtung könnte das VHS-Programm den Anschein erwecken, auf dem „linken Auge blind zu sein“, so Karnas weiter.
Auch in Unna brachte der Stadtverband der FDP einen ähnlichen Einwand hervor, der sich auf das Programm der VHS Unna-Fröndenberg-Holzwickede bezog. So gibt es in deren Semesterprogramm zwar keinen Schwerpunkt Rechtsextremismus und keine breit angelegte Vortragsreihe zu diesem Thema. „Politisch fixiert“ – so entlarvt es die FDP als Rächerin der ‘wehrhaften’ Demokratie – sei das Programm trotzdem. Deshalb formuliert ihr Vorsitzender Martin Bick auch die Frage aller Fragen: „Wo bleibt die Auseinandersetzung mit einem auch bei uns vor Ort immer stärker ausufernden Linksextremismus?“

Dieser Auffassung der FDP widersprachen – zumindest in Kamen – in den darauf folgenden Tagen sowohl Vertreter_innen der VHS als auch der ortsansässigen SPD. Vorgebracht wurden die Einschätzungen und Beobachtungen des Verfassungsschutzes, denen zufolge von ‘Rechtsextremen’ schlichtweg eine größere Gefahr ausgeht. Dieses Argument ist zwar an sich stichhaltig, die Argumentation als Ganzes erscheint uns jedoch in dieser Form verkürzt. So wird dieses Argument zwar aufgrund zeitlicher und örtlicher Gegebenheiten (“Rechte sind nun mal zurzeit im Kreis Unna gefährlicher”) für eine Parteinahme gegen ‘Rechtsextremismus’ ausgelegt und der FDP entgegengehalten. Das Abwiegen von ‘linker’ und ‘rechter’ Gewalt – als ob man beides ohne weiteres vergleichen könnte – bleibt aber bestehen.

Wir wollen deshalb die von der FPD bemühte und vom Verfassungsschutz vertretene „Extremismustheorie“ einer grundlegenden Kritik unterziehen. Denn das Gerede vom „Extremismus“ führt dazu, dass die Problematik rassistischer, antisemitischer und autoritärer Einstellungen und Verhaltensweisen nicht erfasst wird. Vielmehr sollen damit linke Gesellschaftskritik und Antifaschismus diffamiert werden.

Wozu dient die „Extremismustheorie“?

Der Extremismusbegriff hat seinen Ursprung in den 1920er Jahren in Italien, als dort die so genannte Totalitarismus-Theorie als Schöpfung der italienischen Liberalen entstand. Die Totalitarismus-Theorie sollte dazu dienen, Faschismus und Sozialismus (heute: Rechtsextremismus/Linksextremismus) anhand vermeintlicher Parallelen gleich zu setzen. Im Kalten Krieg diente der Totalitarismusbegriff dann der Gleichsetzung von Faschismus und den real-sozialistischen Staaten des Ostblocks. Nach dem Ende des Kalten Krieges entwickelten dann konservative Politikwissenschaftler die „Extremismustheorie“. Der eigentliche Zweck des Ganzen ist es – damals wie heute – die so genannten „Feinde der Demokratie“ in einer Form gleich zu setzen, die sie politisch handlungsunfähig machen soll und an einen politischen Rand drängt. Die „Demokratie“ und die „gesellschaftliche Mitte“ sollen gleichzeitig vor Kritik in Schutz genommen werden. Mit Hilfe eines „Hufeisenmodells“ behauptet die „Extremismustheorie“ nämlich allen Ernstes, dass sich die „Extreme“ an den „Rändern“ näher kämen, während sie beide gleich weit von der „demokratischen Mitte“ entfernt seien.

Dass sich die „Extremismustheorie“ trotz inhaltlicher Kritik von Seiten der Fachwissenschaft durchsetzen konnte, lag daran, dass die im Sinne der „Extremismustheorie“ argumentierenden Politikwissenschaftler_innen einen mächtigen Verbündeten haben: den Verfassungsschutz. Der deutsche Inlandsgeheimdienst bedient sich des gleichen Vokabulars in seinen jährlichen Berichten. Neben „Links- und Rechtsextremismus“ kennen die Geheimdienstler noch die dümmliche Kategorie des „Ausländerextremismus“.

Die angebrachten Argumente sind dabei allerdings wenig stichhaltig. So wird versucht an mehreren Punkten die politische Nähe von grundsätzlich unterschiedlichen politischen Überzeugungen zu suggerieren. Zum Beispiel wird behauptet, dass sich beide Richtungen als „sozial“ bezeichnen oder sich „Sozialisten“ verstehen. Dabei wird die grundsätzlich anders geartete Ausrichtung der Begriffe bewusst übergangen. Die Begriffe werden aus ihrem jeweiligen ideengeschichtlichen Kontext gelöst. Nur so lassen sie sich einebnen und unter dem Begriff des „Extremismus“ subsumieren. Das der linke Begriff des Sozialismus – unter anderem – auf die Emanzipation aller Menschen von den Zwängen des Kapitalismus zielt, während sich der nazistische Sozialismusbegriff im barbarischen Mythos von Volk und Rasse verstrickt, um die Herrschaft des Menschen über den Menschen zu verewigen, erscheint angesichts des betriebenen Reduktionismus als bloße Marginalität.

Ein weiteres Argument der Vertreter_innen der „Extremismustheorie“ ist, dass sowohl die ‘Rechtsextremen’ als auch die ‘Linksextremen’ Gewalt als legitimes Mittel erachten würden, um politische Ziele zu erreichen. Nicht nur, dass hier so getan wird, als würde Gewalt ausschließlich von Gruppen der gesellschaftlichen Ränder ausgeübt, was natürlich absoluter Unsinn ist, wie ein kurzer Blick auf den hochgerüsteten staatlichen Gewaltapparat zeigt, der genau dazu benutzt wird, was den „Extremisten“ vorgeworfen wird: Er dient der Durchsetzung politischer Ziele auch gegen den Widerstand großer Teile der Bevölkerung. (siehe: Stuttgart 21, Castortransporte, Naziaufmärsche)

Bei den Neonazis ist die Gewalt zudem im Weltbild angelegt. Sie richtet sich gegen alle Andersdenkenden und zu „Nicht-Deutschen“ und „Feinden der Volksgemeinschaft“ erklärten Menschen. Sie richtet sich meist gegen gesellschaftliche Minderheiten und Schwächere, ihre Brutalität ist bezeichnend. Die Neonazi-Gewalt zielt potentiell auf die Vernichtung ihrer Opfer. Wer Formen antifaschistischer Selbstverteidigung und Gegenwehr damit gleichsetzt, verharmlost die Neonazi-Gewalt und fordert indirekt, dass sich deren Opfer wehrlos den Neonazis ausliefern sollen. Wer von „Gewalttätigkeiten rivalisierenden Jugendgruppen“ oder „Links-Rechts-Auseinandersetzungen“ spricht, verschweigt, dass die Gewalt von den Neonazis ausgeht und durch ihre Ideologie verursacht wird. Hätten die zehn angegriffenen Antifaschist_innen sich nicht zur Wehr setzen sollen, als sie von 40 Neonazis vor dem GAL-Zentrum attackiert wurden?

Blinde Flecken

Die Funktion des Extremismusbegriffs offenbart sich schließlich, wenn man den Blick auf jene Spektren wirft, die von dem postulierten Gegensatz ‘Mitte-Extremismus’ nicht erfasst werden. So verschleiert der Begriff Übergänge und Zusammenhänge zwischen der selbst erklärten ‘Mitte’ und Erscheinungen am rechten Rand der Gesellschaft. Die rassistischen Äußerungen des ehemaligen Bundesbankers und SPD-Politikers Thilo Sarrazin können mit der „Extremismustheorie“ nicht als „rechtsextrem“ bezeichnet werden, schließlich bekennt sich Sarrazin zur „freiheitlich-demokratischen Grundordnung“, versteht sich als Vertreter der Mitte und ist Mitglied einer demokratischen Partei. Ist Sarrazin deswegen vor Kritik sicher, selbst wenn seine Positionen in Teilen denen der NPD auffallend ähneln?

Überhaupt verliert, wer mit dem Extremismusbegriff argumentiert, alle gesellschaftlichen Gruppen und Milieus aus dem Auge, die nicht den „extremistischen Rändern“ zugeordnet werden. Doch haben gerade sozialwissenschaftliche Untersuchungen in den vergangenen 20 Jahren immer wieder gezeigt, dass der Rassismus „aus der Mitte der Gesellschaft“ kommt. Wenn 31,3 Prozent der Befragten in einer repräsentativen Untersuchung der Aussage zustimmen, „Die Ausländer kommen nur hierher, um unseren Sozialstaat auszunutzen“ [1], dann wird deutlich, dass wer nur vom „extremistischen Rand“ redet, das Problem verharmlost.

Außerdem werden vor allem rechts-konservative Strömungen mit den Begriffen der „Extremismustheorie“ nicht erfasst. Ist eine Zeitung wie die ‘Junge Freiheit’, die sich seit Jahren leider durchaus erfolgreich bemüht, Schnittstellen zwischen radikaler Rechter und etabliertem Konservativismus aufzubauen und für eine autoritäre und rassistische Gesellschaft wirbt, kein Problem mehr, sobald sie nicht mehr im Verfassungsschutzbericht aufgeführt wird? [2]

Auch werden historische Zusammenhänge zwischen Kapitalismus und Faschismus verwischt. So war in den 1920er und 1930er besonders das kapitalistische Bürgertum Träger der faschistischen Ideologie. Erst das Bündnis der konservativen Elite mit der NSDAP schuf überhaupt die Möglichkeit der faschistischen „Machtergreifung“. Diese Zusammenhänge lassen sich mit der Extremismusperspektive nicht erfassen und schon gar nicht erklären.

Das alles ist aber auch gar nicht die Intention der Extremismustheoretiker_innen. Vielmehr riegelt sich die selbst ernannte Mitte die politische Sphäre auf eine Überwindung der gesellschaftlichen Verhältnisse [3] hin ab und entzieht sich zugleich ihrer historischen Verantwortung. Die unreflektierte Übernahme der Terminologie des Verfassungsschutzes in öffentlichen Diskursen erhält und verfestigt zudem die Problematik dieser Perspektive. Radikal rechte und rassistische Einstellungen sind für uns eben keine Randphänomen der Gesellschaft, das von dieser selbst isoliert betrachtet werden kann, sondern sie entspringen vielmehr der kapitalistisch-bürgerlichen Gesellschaft und werden durch sie fortwährend reproduziert.

Antifa UNited im Februar 2011

Anmerkungen:
[1] Oliver Decker/Elmar Brähler: Bewegung in der Mitte. Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland 2008. mit einem Vergleich von 2002 bis 2008 und der Bundesländer, Friedrich-Ebert-Stiftung Forum Berlin, S. 20

[2] Die ‘Junge Freiheit’ hat gegen ihre Aufführung im Verfassungsschutzbericht erfolgreich vor Gericht geklagt. Ihre politischen Inhalten hat sie indes nicht geändert.

[3] Die natürlich auf einer Überwindung der kapitalistischen Produktionsweise fußen muss, wie sie im Rahmen radikal linker Theorie formuliert wird. Das es sich – um die ‘rechtsextreme’ Seite zu betrachten – bei einer faschistischen ‘Revolution’ um eine wirkliche Überwindung der gesellschaftlichen Verhältnisse handeln würde, ist doch arg zu bezweifeln. Eher deutet sie auf eine Zementierung der bestehenden ökonomischen Machtverhältnisse hin. So wird “aus der Unterordnung unter das Seiende die Liebe zum Schicksal” (Adorno, Theodor W.: “Spengler nach dem Untergang”; In: Prismen – Kulturkritik und Gesellschaft. 1969), die sich im völkischen Mythos nur allzu gut offenbart.

Weiterlesen:
ALB (Hrsg.): Total extrem! Die (neue) Funktion der Totalitarismus- und Extremismusideologien, 2010, Download: http://www.antifa.de/cms/component/option,com_docman/task,doc_download/gid,168/Itemid,34/

LOTTA, Nr. 33, Winter 2008/2009, Schwerpunkt-Artikel: Das Spiel mit der Extremismus-Formel. Legitimationsideologie für den autoritären Staat, Download: http://projekte.free.de/lotta/pdf/33/extremismusformel.pdf

Wolfgang Wippermann: Politologentrug. Ideologiekritik der Extremismus-Legende. Standpunkte 10/2010, Download: http://www.rosalux.de/fileadmin/rls_uploads/pdfs/Standpunkte/Standpunkte_10-2010.pdf