Unna: Vier Jahrzehnte NPD

Der folgende Artikel über den NPD Kreisverband Unna/Hamm wurde uns dankenswerter Weise von der LOTTA – antifaschistische Zeitung aus NRW zur Verfügung gestellt. Er erschien unter dem Titel “Unna: Vier Jahrzehnte NPD” in der Ausgabe Nr. 32/Herbst 2008.

Am 25. April 1965 konstituierte sich der NPD-Landesverband NRW in Bergkamen. Zeitgleich entstand der NPD-Kreisverband Unna/Hamm, der damit auf eine lange Geschichte zurückblicken kann, die mit den Erfolgen und Rückschlägen der Partei verbunden ist.

In den 60er Jahren konnte die NPD in der Region spektakuläre Erfolge erzielen. Bei den Kommunalnachwahlen 1968 zog sie in die Stadträte von Hamm (2 Sitze), Kamen (2 Sitze) und Unna (4 Sitze) ein. In Unna erreichte sie mit 11,5 Prozent ein außerordentlich hohes Ergebnis, das bei den regulären Wahlen ein Jahr später – nach der für die NPD enttäuschend ausgefallenen Bundestagswahl – auf 4,2 Prozent zusammenschrumpfte.

Einen zweiten Höhepunkt der NPD-Aktivitäten bildeten die Jahre 1978 bis 1982. In Kamen war auf dem Bauernhof von Karl Heinz Harting ein bundesweit bedeutendes Schulungszentrum für die Partei und die Jungen Nationaldemokraten, entstanden. 1978 störte die NPD die Lesung des jüdischen Literaten Edgar Hilsenrath und organisierte eine Doppelkundgebung in Kamen und Unna. Nachdem Harting 1982 gerichtlich die Nutzung seines Hofes als „politisches Schulungszentrum“ untersagt wurde, wurde es wieder ruhig um die NPD im Kreis Unna.

Von der Öffentlichkeit unbeachtet, arbeiteten die Neonazis aber weiter. Vor der Landtagswahl 2005 trat der Kreisverband Unna/Hamm wieder massiver an die Öffentlichkeit, organisierte Infostände und Verteilaktionen. Seine Personaldecke ist dünn, Anonymität wird geschätzt. Hauptorganisator ist Hans Jochen Voß aus Unna, Besitzer der VVZ GmbH, eines Versicherungsbüros in der Kreisstadt. Seit AntifaschistInnen seine Aktivitäten thematisiert haben, tritt er gegenüber den Medien als NPD-Sprecher auf.

Voß ist seit den 60er Jahren Mitglied der NPD. Über die Jahre hat er ein umfangreiches Kontaktnetz aufgebaut, das ihm vor allem bei der Organisation von Schulungen hilft. Monatlich lädt die NPD in einen, meist unter falschen Angaben gemieteten, Gaststätten-Hinterraum ein. Für die Vorträge kann immer wieder Parteiprominenz verpflichtet werden: Udo Voigt, Jürgen Gansel, Andreas Molau, Jürgen Rieger, Olaf Rose… Viele „Spitzenkräfte“ der NPD fanden den Weg nach Unna, um vor einem Publikum zu referieren, das auch aus dem Sauer- und Münsterland, dem Ruhrgebiet und Ostwestfalen anreist. Zum Jahresabschluss tritt seit drei Jahren der Liedermacher Frank Rennicke auf.

Außerdem unterstützt der Kreisverband die Tagungen der Deutschen Akademie um Martin Laus und Jürgen Schwab, die in den vergangenen zwei Jahren im Raum Unna abgehalten wurden. Überhaupt hat der Kreisverband wenig Berührungsängste zu anderen Gruppen der extremen Rechten. Mit der DVU aus Dortmund wird schon lange eine lokale „Volksfront“ praktiziert, zu den „Freien Kameradschaften“ bestehen freundschaftliche Kontakte. An den NPD-Gedenkveranstaltungen zum 8. Mai, 3. Oktober und Volkstrauertag nehmen DVUler, Freie und sogar einige Republikaner teil: „Bei aller Meinungsverschiedenheit waren wir uns aber im Kern unseres gemeinsamen Kampfes trotzdem einig. Der Kontakt im östlichen Ruhrgebiet zwischen uns, den freien Kameraden und mit leichten Einschränkungen zur DVU war immer so, dass wir uns bei allen Unterschieden […] gegenseitig kameradschaftlich unterstützt und akzeptiert haben und auch werden.“

Konkret wird die Unterstützung bei Demonstrationen oder im Wahlkampf. Die NPD besucht Aufmärsche der Kameradschaft Hamm, im Gegenzug schützt die ihre Infostände. Die Kameradschaft Dortmund verleiht ihren Lautsprecherwagen für eine Werbetour im Kreis Unna, Voß organisiert Räume für eine Veranstaltung des Aktionsbüros Westdeutschland in Hamm und eine Rechtsschulung mit Christian Worch in Kamen. Und als der Hammer Kameradschaftsführer Sascha Krolzig vor Gericht steht, übernimmt der Kreisverband dessen Anwaltskosten.

Die Kooperation mit den „Freien Kameradschaften“ ist intensiv, und sie verhindert, dass Szene-Konflikte, zum Beispiel über den „Schwarzen Block“ und das Gehabe der „Autonomen Nationalisten“, eskalieren. Die „Toleranz“ der Unnaer NPD fußt auf einer realistischen Einschätzung ihrer Situation. Die meisten Aktiven sind über 45 Jahre alt, eine Jugendarbeit existiert nicht. Wo es der NPD gelang, sich ein jugendliches Umfeld aufzubauen, wie in Bergkamen, konnte sie die SympathisantInnen nur schlecht in die alltägliche Parteiarbeit einbinden. Ohne die „Freien“ fehlt ihr schlicht der Nachwuchs.