Nachträgliches: Agnes-Miegel-Straße passé

SCHWERTE Die Agnes – Miegel Straße wird umbenannt. Ein breites Bündnis aus LINKE, SPD und auch CDU stimmten Mitte September zusammen mit dem zuständigem Ausschuss für Demografie, Stadtentwicklung und Umwelt für eine Umbenennung der Agnes-Miegel-Straße.

Hintergrund

Die Dichterin Agnes Miegel (1879-1964) war „eine Stütze des NS-Regimes im Bereich Kultur, die den Führer verherrlichte“. 1933 wurde sie Mitglied der NS – Frauenschaft, im Oktober 1933 unterzeichnete sie mit 87 weiteren deutschen Schriftsteller_innen das „Gelöbnis treuester Gefolgschaft“. 1936 schrieb sie u.a. das Gedicht „Dem Führer“ Dort heißt es: „Laß in deine Hand, Führer! Uns vor aller Welt bekennen: Du und wir, nie mehr zu trennen stehen ein für unser Vaterland!”. 1939 nahm sie das Ehrenzeichen der Hitlerjugend entgegen. 1940 wurde sie Mitglied der NSDAP. Ein 1945 gegen sie verhängtes Veröffentlichungsverbot wurde 1949 aufgehoben. Für ihr literarisches Werk erhielt Agnes Miegel danach noch mehrere Literatur- und Kulturpreise. In vielen Orten sind trotz ihrer braunen Vergangenheit Straßen nach ihr benannt.

‘Zeichen gegen Rechts’

Mit der Umbenennung soll ein ‘Zeichen gegen Rechtsextremismus’ gesetzt werden. Schwerte stehe für für „eine menschliche, weltoffene und tolerante Stadt und das friedliche Zusammenleben aller Menschen, ungeachtet ihrer Weltanschauung, sexuellen Orientierung, Behinderung, Religion, Kultur, Herkunft oder Hautfarbe steht.“ Das dies den lokalen Neonazis nicht passt, haben sie bereits im Vorfeld deutlich gemacht. An einer Grundstücksmauer prangt meterlang „Agnes Miegel-Straße bleibt, ansonsten gibts Krawalle!“ (mehr dazu hier)

Die FDP und ihr zweifelhaftes Geschichtsverständnis

Wieder einmal war es einzig die FDP die keinen Grund für eine Umbenennung der Straße sah. In seiner Rede hatte Hans Jürgen Allendörfer (FDP) Agnes Miegel zugestanden, „ die Entnazifizierungsverfahren unbelastet überstanden und gar Beziehungen zu Juden gehabt zu haben”. In dieser vulgären Argumentation drückt sich ein Geschichtsverständnis aus, das schlicht an der Oberfläche verharrt und die erdrückende Faktenlast beiseite schiebt. Allendörfer verhöhnt das millionenfache Leid im Nationalsozialismus, wenn er Agnes Miegel selbst als Opfer darstellt.
Vor allem die FDP müsste doch um die geringe Effektivität der Entnazifizierung Bescheid wissen. Bis über die Nachkriegszeit hinweg war sie durchsetzt von zahlreichen Nazi-Seilschaften und bildete so die Keimzelle faschistischer Tendenzen in der Demokratie.

Ausblick

In der nächsten Sitzung wird der Ausschuss für Demografie, Stadtentwicklung und Umwelt die Umbenennung über die Bühne bringen. Als mögliche Namensgeberin steht Anne Frank im Raum.
Klar ist: die Umbenennung einer Straße trägt als rein symbolischer Akt nicht wirklich zu einer Aufarbeitung der Vergangenheit bei. Wünschenswert ist aber vor allem die einsetzende Diskussion, die zu einem gewissen Grade Geschichtsbewusstsein schärfen und nebenbei reaktionäre Positionen – wie die der FDP – aufdecken kann. Den Vorschlag, Anne Frank als neue Namensgeberin zu wählen, können wir nur befürworten. Jeder andere, vom Zusammenhang entfernte Gestus wäre einem symbolischen Schlussstrich gleichgekommen, der doch den größten Teil der deutschen Beschäftigung mit dem Nationalsozialismus in erdrückender Weise charakterisiert. Jedoch gilt es nicht bei den bloß offensichtlich-biografischen Bindungen einzelner Personen zum NS-Regime stehen zu bleiben. Das hierzulande geläufige Missverständnis, der Faschismus hätte erst 1933 eingesetzt, verstellt eine Auseinandersetzung mit den ideologischen Vordenkern im Kaiserreich. Personen wie Bismarck oder Hindenburg werden zumeist nur bloß nostalgisch und nicht politisch-geschichtlich betrachtet. Vor allem hier, bei Personen und Strömungen, die sich nicht durch ein offenes Bekenntnis zu Hitler enttarnen lassen, gilt es geschichtliche Kontinuitäten aufzuzeigen und deren Präsenz im öffentlichen Raum zurückzudrengen.

Antifa UNited im Oktober 2011

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