Nach einer Serie von Brandanschlägen an den vergangenen zwei Samstagen (23.07. und 30.07.2011) hat das Amtsgericht Kamen am Montag Haftbefehl gegen einen 23-jährigen Bergkamener erlassen. Er wird verdächtigt neun Brandstiftungen in der Bergkamener City begangen zu haben. Nach Angaben der Polizei steht der nun Verhaftete der rechten Szene nahe, sei aber noch nicht durch politische motivierte Taten in Erscheinung getreten.
Rassistisch motivierte Brandanschläge?
Bereits in der vergangenen Woche war vermutet worden, dass es sich bei den Taten um rechte Gewalt handeln könnte. In der ersten Tatnacht wurde der Rohbau einer Moschee an der Ernst-Schering-Straße angezündet. Außerdem wurde in beiden Nächten ein Feuer in einem Mehrfamilienhaus in der Hubert-Biernat-Straße gelegt. Dort wohnen viele Familien aus dem Vietnam, der Türkei und Angola. Die BewohnerInnen berichteten gegenüber der WR/WAZ, dass im Hausflur auch Hakenkreuz-Schmiererein und SS-Runen aufgetaucht seien. Bei den anderen sechs Brandstiftungen handelte es sich um brennende Mülltonnen in der Umgebung des Mehrfamilienhauses.
Die Polizei kam dem Täter auf die Spur, weil er in der zweiten Brandnacht als Brandentdecker auftrat und sich an den Löscharbeiten beteiligte. Denkbar sei, dass er den Tatverdacht auf diese Weise von sich ablenken wollte, so die Polizei. Bislang bestreitet er die Brandstiftungen und räumte lediglich ein, in alkoholisiertem Zustand am 23.07.2011 an drei Stellen Müllcontainer angezündet zu haben. Ein weiterer 23jähriger Tatverdächtiger Bergkamener gestand nach seiner vorläufiger Festnahme, den Hauptbeschuldigten bei der ersten Brandlegungsserie begleitet zu haben.
Neonazi-Aktivitäten in Bergkamen und Umgebung
Seit vielen Jahren existieren NPD-Strukturen in Bergkamen, die auch über ein jugendliches Umfeld verfügen. Allerdings entwickelte die NPD in Bergkamen in den letzten Jahren wenig öffentlich wahrnehmbare Aktivitäten. Allerdings führt der „Nationale Widerstand Unna“ (NWU) seit Beginn diesen Jahres eine „Ortsgruppe Bergkamen“ auf. Der „Nationale Widerstand Unna“ ist eine Gruppe parteifreier Neonazis, die der gewalttätigen Strömung der „Autonomen Nationalisten“ zugerechnet werden und die über gute Kontakte zur Neonazi-Szene in Dortmund und Hamm verfügt. Immer wieder befürwortete der „Nationale Widerstand Unna“ die „Gewalt gegen die Demokratie“ als „absolut legitim“. Ein Anschlag auf ein Parteibüro in Unna kommentierten sie mit der Drohung „Demokraten vertreiben“. Weiter hieß es: Langsam aber sicher sollten die Demokraten verstanden haben, dass sie sich entweder komplett aus dem Kreis Unna verabschieden, oder mit weiteren Konsequenzen zu rechnen haben.“ Statt Demokratie wollen sie die Wiederrichtung einer faschistischen Diktatur, sich selbst sehen sie als moderne „Nationalsozialisten“. Für die gesprühte Parole „Damals wie heute – Hitlerleute“ musste sich u.a. der Anführer der Gruppe, Alexander Wilhelm aus Fröndenberg, vor Gericht verantworten. In einer jüngst veröffentlichten Broschüre dokumentiert die Antifa UNited zahlreiche Fälle rechts-motivierten Sachbeschädigungen im Kreisgebiet. In den vergangenen zweieinhalb Jahren wurden regelmäßig Schaufensterscheiben von Parteibüros und linke Initiativen angegriffen. Immer wieder beteiligten sich die NWU-Mitglieder auch an gewalttätigen Auseinandersetzungen und Übergriffen auf vermeintliche Linke.
In Bergkamen wurden zuletzt Mitte Juni Hakenkreuze und neonazistische Parolen am Platz der Partnerstädte gesprüht. Die auch als „Kameradschaft Bergkamen“ auftretende Ortsguppe des NWU schrieb dazu auf ihrer Internetseite: „Genau Passend, in der Nacht vom 17 auf dem 18 Juni hat jemand die Stadt mit Hakenkreuzen und SS Runen verschönert. Folgende Schriftzüge waren zu lesen: Die BRD hat keine Zukunft, dieser war vor dem mit Hakenkreuzen verschönerten Rathausvorplatz, Platz der Partnerstädte, über die ganze Fläche geschrieben!!! Die umliegenden Kaufhäuser wurden gleich mitdekoriert, sowie einige Wohnhäuser in der Umgebung.“
Besonders auffällig ist die ausdrückliche Nähe der „Kameradschaft Bergkamen“ zur NPD. Auf ihrer Website rief sie zu Spenden für die Partei oder zur Teilnahme an NPD-Demonstrationen auf. Auch wurde über die Jahreshauptversammlung der NPD Unna/Hamm berichtet. Es bestehen augenscheinlich gute Kontakte zwischen NPD und der „Kameradschaft“. Auch andere Mitglieder des „Nationalen Widerstands Unna“ arbeiteten in der Vergangenheit, vor allem während des Wahlkampfes, mit dem NPD Kreisverband Unna/Hamm zusammen, dessen Vorsitzender, der Versicherungsmakler Hans Jochen Voß aus Unna, als Fürsprecher und Financier der parteiunabhängigen „Autonomen Nationalisten“ gilt.
Agitationsthema Moscheebau
Aktuell setzen die NPD Unna/Hamm sowie die Neonazi-Gruppen aus der Region auf das Agitationsthema Moscheebau. Die öffentliche Diskussion über solche Bauvorhaben dient ihnen dazu, Ängste und Vorurteile zu schüren. Mit rassistischen Parolen gegen Muslime und Zugewanderte wollen sie punkten. In der letzten Zeit steht vor allem der Bau einer Moschee in Hamm-Herringen im Fokus.
Auch die „Kameradschaft Bergkamen“ hetzt im Internet gegen Muslime. Dort heißt es unter der Überschrift „Verfassungswidrigkeit islamischer Religionsausübung in Deutschland“, die Muslime in Deutschland strebten die „Islamisierung der Lebensverhältnisse“ an und seien darum bemüht, „Deutschland als ein Haus des Vertrages in ein Haus des Islam umzuwandeln“.
Neue Qualität rechter Gewalt
Im Kreis Unna existieren Neonazi-Gruppen, die immer wieder Gewalt gegen vermeintliche „politische Gegner“ und „Ausländer“ ausüben und diese befürworten. Diese rechte Gewalt ist in der Ideologie der Neonazis begründet, die den „Feinden“ ihrer halluzinierten „Volksgemeinschaft“ kein Lebensrecht zusprechen. Brandanschläge gegen Wohnhäuser gab es in den letzten Jahren nicht im Kreis Unna. Sie stellen eine weitere Eskalationsstufe der rechten Gewalt dar. Denn wer ein Wohnhaus in Brand setzt, der nimmt den Tod der sich dort aufhaltenden BewohnerInnen billigend in Kauf. Diese Taten sind erschreckend und beunruhigend. Scheinbar haben die mörderischen Anschläge in Norwegen auch hier Neonazis aktiviert, neue Gewalttaten durchzuführen.
Wir rufen auf, sich mit allen Opfern rechter Gewalt zu solidarisieren. Sie benötigen unsere Unterstützung und unseren Schutz. Gleichzeitig werden wir nicht aufhören, Gegenwehr gegen die Neonazi-TäterInnen und ihre Stichwortgeber zu organisieren. Wir rufen alle Bürgerinnen und Bürger sowie die Verantwortlichen der Stadt auf, diese Bemühungen zu unterstützen und selbst gegen die Neonazi-Gefahr aktiv zu werden.
Die Polizei sollte alles daran setzen, die Taten restlos aufzuklären und den rechten Hintergrund des Täters ausreichend zu würdigen. Rechte Gewalt darf nicht verharmlost werden.
Lesetipp zum Thema Rechte Gewalt: Neue Ausgabe der Zeitschrift LOTTA – Opener des Schwerpunkts „Zum Opfer gemacht. Dimensionen rechter Gewalt“ lesen.