Gegenprotest führt vor Gericht

Der letzte Wahlkampf im Kreis Unna ist nun schon etwas vergangen, doch für einige Menschen nicht vergessen. Das mag vor allem an den Geschehnissen des 08. Mai 2010 liegen. An diesem Tag fand ein Wahlkampfstand der NPD in der Innenstadt von Unna statt. Deshalb versammelten sich spontan ca. zwölf Gegner*innen der NPD, um auf das Treiben vor Ort aufmerksam zu machen und mit Flugblättern über die menschenverachtende Hetze der Neonazis aufzuklären.
Die personalschwache NPD wurde von Neonazis des „Nationalen Widerstand Dortmund“ (u.a. Michael Sascha Brück, Markus Nikolaus und Anne-Marie Doberenz) unterstützt, die in der Vergangenheit immer wieder durch Gewalttaten auffielen. Auch an diesem Tag wurden sie gegenüber den Antifaschist*innen gewalttätig. Es kam zu einem Handgemenge. Die Neonazis inszenierten sich als Opfer eines “Angriffs”. Die anrückende Polizei nahm vor Ort zwei Antifaschisten in Gewahrsam, gegen zwei weitere wurde im nachhinein ein Verfahren eröffnet. Am Freitag, den 15. Juli, wurden alle Beschuldigten zur Hauptverhandlung ins Amtsgericht Unna geladen. Angezeigt waren sie wegen Landfriedensbruch.

Die Verhandlung begann wie üblich mit der Klärung der Personalien der Beschuldigten und durch das Vorlesen der Anklageschrift durch die Staatsanwaltschaft. Anschließend wurden die vier Angeklagten und ihre Verteidiger*innen gebeten, falls gewünscht ihre Aussagen oder anwaltlichen Einlassungen abzuhalten.
Zwei der Beschuldigten gaben an, zu den Vorwürfen vorerst keine Aussage machen zu wollen; die Verteidigung der beiden anderen Beschuldigten schilderte kurz und knapp den Ablauf der Situation aus Sicht ihrer Mandanten und kam zu dem Schluss, dass beide keine strafbare Handlung begangen haben.

Die Richterin nahm die Angaben zum Tathergang zur Kenntnis und ging anschließend dazu über mit einem Beamer die Beweisfotos des Szenarios am 8. Mai zu sichten. Diese sprachen überraschenderweise eine sehr deutliche Sprache: Sie entlasteten die Beschuldigten eindeutig. Mehrfach konnte festgestellt werden, wie einer der Linken noch vor Beginn der Auseinandersetzung von zwei Rechtsradikalen angegangen wurde, was laut Aussage der Verteidigung der Auslöser der Auseinandersetzung war. Den angeklagten angeblichen Angreifer*innen konnte bis zu diesem Zeitpunkt keine Gewalttat zugerechnet werden. Anschließend schien alles sehr schnell zu gehen. Die Neonazis bewaffneten sich mit der Stange des NPD-Sonnenschirms und zogen Pfefferspray. Außerdem zeigen die Bilder – bis auf in einer Situation – ausschließlich die Rechtsradikalen in Angriffsposition. Zudem ist zu sehen, wie Markus Nikolaus einem Beschuldigten Pfefferspray direkt in die Augen sprüht und wie Michael Brück mit der Eisenstange weit ausholt. Von der selbigen Eisenstange wurde einem anderen Beschuldigten ein im Durchmesser ca. 15 cm großer Bluterguss am Arm zugefügt. Hierfür gab der Verteidiger ein Foto zu Protokoll. Auch der Einsatz von Pfefferspray gegen zwei der Beschuldigten wurde noch in Gewahrsam von der Polizei zur Kenntnis genommen.

Alles in allem ist also klar geworden, dass sich die Beschuldigten an keiner aggressiven oder strafbaren Handlung beteiligt haben, sondern lediglich ihr Recht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit genutzt haben. Zu einem Freispruch bzw. einer Einstellung der Verfahren war der sichtbar unvorbereitete Staatsanwalt, der vor Beginn des Prozesses scheinbar weder seine Akte gelesen noch die Fotos gesichtet hatte, nicht bereit. Er wolle lieber noch weitere Zeugen wie den Fotografen anhören. Somit wurde die Hauptverhandlung vertagt und zu einem bisher unbestimmten Termin ausgesetzt. Eine lästige Schikane, jedoch können die Beschuldigten und ihre Unterstützer*innen nach dem ersten Prozesstag ein wenig gelassener in die Zukunft blicken.

Pressespiegel:
Westfälische Rundschau