In diesem Jahr jährt sich die „Schlacht bei Pelkum“ zum neunzigsten Mal. Am 1. April 1920 kämpften Einheiten des Freikorps Epp und der Reichswehr gegen aufständische ArbeiterInnen, die sich in der „Roten Ruhr Armee“organisiert hatten. Im Laufe der Schlacht und vor allem in Anschluss an diese, in den zahlreichen Hinrichtungen und Massakern, wurden über 90 ArbeiterInnen von den Soldaten getötet. Zu ihrem Gedenken versammelten sich am Samstag über 80 Menschen am Massengrab am Pelkumer Friedhof.
Gedenken mit Geschichte
Das Gedenken an den „Ruhrkampf“ hat in Hamm eine lange Tradition: In den Jahren nach 1920 versammelten sich viele Tausend Menschen zu Demonstrationen, nach dem Krieg wurde die Tradition, die unter den Nazis natürlich unterdrückt wurde, wiederbelebt. Seit je beteiligen sich auch AntifaschistInnen aus dem Kreis Unna an den Veranstaltungen. [1; 2]In diesem Jahr fand zuerst eine kurze Gedenkveranstaltung auf dem Friedhof statt, an der ein VertreterInnen des überparteilichen Arbeitskreises „Blumen für Pelkum“ und der Linkspartei sowie der Ortsheimatpfleger von Pelkum sprachen. Im Anschluss daran, besuchte die Mehrheit der Teilnehmenden noch die Veranstaltung im Bürgerhaus Pelkum.
Dort wurde einerseits die aktuelle Fassung eines Films des Filmclubs Herringen über die Erreignisse gezeigt, in dem auch viele ZeitzeugInnen zu Wort kamen. Andererseits wurde im Anschluss die historische und politische Bedeutung der Erreignisse 1920 diskutiert. An der Podiumsdiskussion nahm auch ein Vertreter der regionalen Antifagruppen teil. Einig waren sich die Teilnehmenden, dass es nicht nur um passives Erinnern gehe, sondern, dass ein Gedenken immer auch an die aktuelle Praxis anknüpfen sollte. Schließlich war der „Ruhrkampf“ vor allem ein Abwehrkampf gegen den aufkeimenden Faschismus.
Kapp-Putsch und Ruhrkampf
Die Vorgeschichte der „Schlacht um Pelkum“ beginnt am 13. März 1920. Damals putschten rechtsgerichtete Kräfte unter der Führung von Wolfgang Kapp und dem General Walther von Lüttwitz gegen die noch junge Weimarer Republik. Unterstützt durch nationalistische Freikorps zwangen die Putschisten die SPD-geführte Reichsregierung zur Flucht aus Berlin. Kapp erklärte sich zum Reichskanzler, musste aber schon nach fünf Tagen aufgeben. Ein Generalstreik der ArbeiterInnen hatte das Land lahmgelegt.
Auch im Ruhrgebiet erhoben sich die ArbeiterInnen und bewaffneten sich. Mitglieder von SPD, USPD, KPD sowie Anarcho-SyndikalistInnen vereinten sich in der „Roten Ruhr Armee“. So konnte das Eindringen von Reichswehreinheiten ins Ruhrgebiet verhindert werden. Teile der Reichswehr unterstützen den Putsch, andere Teile verhielten sich passiv. Unter der Parole „Truppe schießt nicht auf Truppe“ verweigerten sie aber ihre praktische Unterstützung für die Republik.
In viele Ruhrgebietsstädten übernahmen nun ArbeiterInnenräte die politische Macht und entwickelten Formen der Selbstverwaltung. Kaum war die Reichsregierung unter dem SPD-Kanzler Friedrich Ebert wieder an der Macht, forderte sie das Ende des Streiks und des Aufstands im Ruhrgebiet. Doch der Ruhrkampf hatte sich längst ausgeweitet: Nicht mehr nur die Abwehr des Putsches, sondern der Kampf um soziale Rechte und eine sozialistische Gesellschaft standen nun auf der Tagesordnung.
Freikorps als Vorläufer des Faschismus
Die Reichsregierung setzte schließlich die Reichswehr und Teile der Freikorps, die sich gerade noch mit den Putschisten sympathisiert hatten, gegen die Aufständischen ein. Von Münster und Paderborn kommend drangen die Soldaten ins Ruhrgebiet ein. Bei den Kämpfen und den anschließenden Massakern wurden über 2000 ArbeiterInnen ermordet. Die Freikorps bestanden vor allem aus ehemaligen Weltkriegsveteranen, die keinen Platz mehr in der verkleinerten Reichswehr hatten, sich aber auch nicht fähig waren, sich wieder in ein bürgerliches Leben einzugliedern. Unterstützt wurden sie durch „Zeitfreiwillige“, vor allem nationalistische Studenten und Bürgersöhne von den Gymnasien. Viele der Freikorpsangehörigen wurden später in den faschistischen Gruppen aktiv, nicht wenige von ihnen in der NSDAP. Die Marinebrigade Ehrhardt hatte schon 1920 das Hakenkreuz auf ihre Helme und Fahrzeuge gemalt. Ein Zeichen, dass zur damaligen Zeit kaum jemand kannte.