Innenminister Wolf will Ermittlungen gegen Verfassungsschützer verhindern – Anklage gegen V-Mann Sebastian Seeman erhoben
Ende August wurde die Arbeit des Neonazis und Gastwirts Sebastian Seemann aus Lünen für den Verfassungsschutz NRW öffentlich: Seemanns tiefer Einblick in die rechte Szene in der Region und in internationale RechtsRock-Strukturen wollte sich der Geheimdienst zu nutze machen und heuerte den Lünener als V-Mann an. Seemanns kriminelle Laufbahn, die von Körperverletzung bis Drogenhande reicht, war der Landesbehörde bekannt. Für seine Dienste zahlten sie ihm zwischen 500 – 1000 Euro monatlich. Was aber viel schwerer wiegt ist, dass sie Seemanns kriminelle Machenschaften deckten und ihn sogar vor Ermittlungen der Polizei warnten.
Vorgeschichte
Die Drogenfahndung aus Bielefeld ermittelte gegen Seemann wegen mutmaßlicher Kokain-Deals in Ostwestfalen. Dabei hörten sie auch sein Mobiltelefon ab. Seemanns V-Mann-Führer, also der Kontaktbeamte des Verfassungsschutzes, rät ihm daraufhin statt seines Mobiltelefons öfter eine Telefonzelle zu nutzen.
Bei einem Prozess gegen Seemanns Freund Robin Sch., der wegen eines Raubüberfalls auf eine Dortmunder Plus-Filiale vor Gericht stand, flog Seemanns Tarnung auf und die Praktiken des Verfassungsschutzes wurden bekannt. Die Polizei Bielefeld erstattete daraufhin Anzeige gegen den V-Mann-Führer wegen Verdachts auf Strafvereitlung im Amt und Geheimnisverrat.
Innenminister deckt Verfassungsschutz-Machenschaften
Damit Polizei und Staatsanwaltschaft allerdings gegen einen Geheimdienstler wegen Geheimnisverrats ermitteln können, brauchen sie eine Strafverfolgungs-Ermächtigung aus dem Innenministerium. Dessen Dienstherr Innenminister Ingo Wolf (FDP) zögerte zwei Monate eine Entscheidung heraus und beschloss dann Mitte November die Ermächtigung nicht zu erteilen. Er teilte mit, der Geheim- und Quellenschutz habe für ihn hohe Priorität. Ermittlungen würden den V-Mann-Führer sowie weitere V-Männer gefährden. Eine „Gefährdung des öffentlichen Wohls“ drohe, die zu dem Tatverdacht in keinem Verhältnis stünde. Der Verfassungsschutz lässt sich halt nicht gerne in die Karten gucken. Innenminister Wolf schützt seine Behörde und ihre zweifelhaften Praktiken, die einmal mehr beweisen, dass der Verfassungsschutz im Kampf gegen den Neofaschismus nur hinderlich ist. Das ganze V-Mann-System gehört abgeschafft. Es dient augenscheinlich eher dem Schutz der Neonazis (vor Strafverfolgung, staaatlichen Verboten) als das es ihrer Bekämpfung dient. Skandalös bleibt, dass der Verfassungsschutz seelenruhig dabei zusah, wie Seemann die rechte Szene mit Waffen versorgte, Konzerte der in Deutschland verbotenen Organisation „Blood and Honour“ im Ausland (mit-)organisierte und nebenbei auch noch im großen Stil mit Kokain handelte. Eine Aufklärung dieser Geheimdienstpraktiken oder die rechtliche Verfolgung von Straftaten durch Geheimdienstler soll verhindert werden.
Die Staatsanwaltschaft Bielefeld versucht allerdings gegen VS-Kontaktbeamten wegen Strafvereitlung im Amt zu ermitteln. Bei dieser Straftat ist keine Ermächtigung des Innenministeriums nötig. Es kann aber die Ermittlungen anderweitig behindern: Da die Polizei und Staatsanwaltschaft nur den Tarnnamen des Geheimdienstlers und nicht seinen Klarnamen wissen, müssen sie gegen unbekannt ermitteln. Es ist davon auszugehen, dass der Verfassungsschutz nicht den Namen seines Mitarbeiters verraten wird. Folglich wird auch dieses Ermittlungsverfahren im Sande verlaufen. Damit bleibt eine der größten Verfassungsschutz-Affären in NRW unaufgeklärt.
Gegen Sebastian Seemann hat die Staatsanwaltschaft Bielefeld nun Anklage erhoben. Er wird sich noch Anfang diesen Jahres wegen Drogenhandels vor Gericht verantworten müssen.
Stellungnahme der Antifa UNited zur V-Mann-Affäre, den Aktivitäten von Seemann und seiner Kneipe Störtebeker
Bericht des Antifaschistischen Infoblatts zur V-Mann-Affäre
Bericht der Zeitschrift LOTTA zur V-Mann-Affäre
Radiobeitrag von Antenne Antifa, Münster // Teil 1 // Teil 2